Die Schenke zur ewigen Liebe by Lise Gast

Die Schenke zur ewigen Liebe by Lise Gast

Autor:Lise Gast [Gast, Lise]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2016-05-05T00:00:00+00:00


* * *

Am andern Morgen stand Simon vor dem großen Spiegel im Flur und rasierte sich. Sie hatten am Abend vorher Karten gespielt, eins jener baltischen Spiele, die auch Mammischka im Liegen mitspielen konnte. Sie war eine passionierte und geschickte Spielerin, der man anmerkte, daß sie früh begonnen hatte; Kartenspielen galt ja im Baltikum als zur Bildung gehörend. Ihr Mann kam ihr, trotz langjähriger Übung, wie sie sagte, immer noch nicht nach. Simon hatte schnell begriffen, worum es ging, er als ehemaliger Fahrschüler spielte auch gern und gut Skat. Julia dagegen tat sich schwer. Sie hatte nie Zeit gehabt, Karten zu spielen, wollte aber auch nicht abseits stehen. So ließ sie sich alles erklären, immer wieder, behauptete dann, allein spielen zu können, und machte hanebüchene Schnitzer. Sie hatten viel gelacht, und Simon erklärte und erklärte immer aufs neue und kam dadurch gar nicht dazu, zu mogeln, was er sonst mit Vorliebe tat. Kurzum, es war ein reizender Abend gewesen, und ein langer. Simon hatte, als sie endlich schlafen gingen, erklärt, am andern Morgen allein zu füttern. Julia sollte ausschlafen, bitte, ganz bestimmt! Sie hatte sich gewehrt und dann scheinbar nachgegeben in der Hoffnung, von selbst aufzuwachen und dann einfach draußen zu erscheinen. Das war ihr nicht gelungen.

Simon fühlte den zärtlichen Triumph gelegentlicher Frühaufsteher den Langschläfern gegenüber und überlegte, ob er heute wieder Brötchen holen oder sich sonst eine hübsche Überraschung ausdenken sollte. Die Esel hatte er versorgt, noch war Zeit. Das summende Rauschen seines Rasierapparates ließ ihn den vorsichtigen Schritt des Professors überhören, der die Tür zum Flur leise geöffnet und dann wieder hinter sich zugezogen hatte und nun, auf seinen Stock gestützt, neben ihm stand. Der Professor war trotz der relativ frühen Stunde korrekt angezogen und offensichtlich bemüht, seinen jungen Gast nicht zu schokken.

'Guten Morgen, bitte erschrecken Sie nicht. Unsere junge Freundin schläft wohl noch? Wie gut. Wir lassen sie schlafen. Aber ich hörte Sie im Flur.'

'Ja?' fragte Simon halblaut. Sein Herz verhielt den Schlag, als wüßte es, das jetzt etwas Ungeheuerliches kommen würde.

'Es ist – meine Frau ist heute nacht gestorben', sagte der Professor. Er sagte es leise, gefaßt und gleichzeitig, obwohl er es zu verbergen bemüht war, zutiefst verzweifelt. Simon schloß für einen Moment die Augen. Dann schlug er sie wieder auf, sah den anderen an, hilflos, unfähig, zu antworten. Der nahm ihn sachte beim Arm.

'Kommen Sie.'

Sie saßen dann im Wohnzimmer und sprachen, das heißt, der Professor sprach. Simon hatte nur das übliche 'Wie ist denn so etwas möglich!' und: 'Herr Professor, es tut mir so schrecklich leid für Sie!' sagen können. Jetzt saß er still da und hörte zu. Der andere sprach, und das schien ihm gut zu tun. Daß sie immer ein bedenklich schwaches Herz gehabt, in letzter Zeit sehr labil gewesen sei.

'Wir haben tortzdem nicht gedacht, daß es so – so nahe vor uns lag. Meine Tochter kam sofort, ich rief sie an, sie ist noch hier, bei ihr. Ich hörte Sie hier draußen und wollte nicht, daß Sie es – etwa auf eine Weise erfahren, die – und unsere kleine Julia –' er brach ab.



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